Ich suchte in dieser Stadt lange nach einem Ort, der ähnlich anonym genug ist wie Denny's oder Royal Host, 24 Stunden-Restaurantketten in sonstigen Metropolen, wo man nachts um halb drei ohne irgend einen dramatischen Grund ( also weder eine durchzechte Nacht, Ehestreit noch Entfremdung oder Vereinsamung ) reingehen, Pfannkuchen und Kaffee bestellen und nach dem Essen in Ruhe lesen kann. Am Nebentisch könnten z.B. zwei ältere Frauen plaudern, am Tisch gegenüber arbeitet ein Mann im Anzug an seinem Laptop.
Mcdonald's ist so ein Ort, habe ich geglaubt, bis sich einmal eine Szene vor meinen Augen abspielte, die mir zu denken gab. Auf der Toilette hatte sich eine Frau, vermutlich ein Junkie, eingeschlossen und draußen vor der Tür versuchten Wachleute mit Funkgeräten und gelb fluoreszierenden Westen sie rauszuholen. Sie klopften, schlugen an die Tür, befahlen ihr, die Tür zu öffnen. Sie schrie schluchzend dazwischen: "Kann ich denn hier nicht scheißen, oder was?" Leute versammelten sich inzwischen am Toiletteneingang. Zwei Teenie-Mädchen, die da auch verweilt hatten, tuschten vor dem Spiegel ihre Wimpern nach und gingen.
Dann versuchte ich in Bohemien-Cafes diesen idealen Ort zu suchen, um leider festzustellen, dass diese Orte in der Regel ausschließlich von Gleichaltrigen okkupiert sind, die auch gerne lässig und unkompliziert in einer schönen Umgebung Kaffee trinken wollen, aber da sie sich alle, auch der Ladenbetreiber, zu sehr danach sehnen, sind sie im Grunde zu sehr interessiert, sei es an der Hintergrundmusik oder am richtigen Interieur inklusive anderer Besucher. Der Denny's-Effekt tritt nicht ein. Es funktioniert eben nicht, wenn alle wie man selbst aussehen. Man kann in diesen Orten mit Freunden hingehen und Menschen, die hinter den Freunden sitzen, hervorragend ohne bestimmtes Interesse betrachten, während man sich beispielsweise über Video-Codecs unterhält. Allein kann man dort nicht so leicht beiläufig sein.
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